Augenschein vom 27.07.2005   Alle       

Täglich frischer Strom aus dem Rhein «gefischt»

Täglich frischer Strom aus dem Rhein «gefischt» «Am tiefsten Punkt von Augst»: Theo Zeier (links) technischer Geschäftsleiter des Kraftwerks Augst erklärt den Teilnehmenden des Augenscheins, wie die alten Turbinen funktioniert haben.
Alles fliesst im Kraftwerk Augst: Das Wasser mit minimalster Ablenkung und bestmöglichem Wirkungsgrad durch die Turbinen. Und der Strom ins Netz. Und das Brummen der Generatoren vibriert konstant in den Grundfesten der Anlage.

ans. Die Leistung des Kraftwerks Augst am 26. Juli: Rund 24,7 Megawatt bei einem Rheinabfluss von gut 1017 Litern Wasser pro Sekunde. Zehn Megawatt unter der Maximalleistung.

Das Wasser sprudelt unter dem Kraftwerk hervor.
In der Schleuse zwischen Ufer und Gebäude wartet derweil ein Schiff, der «Lällekönig». 110 Meter lang ist der «Wasser lift» für die Rheinschifffahrt.
Die knapp 20 Teilnehmenden des vierten «Volksstimme»-Augenscheins lehnen am Geländer, beäugen das Schiff. Währenddessen sinkt das Wasser langsam, bringt den «Lällekönig» auf das tiefere Niveau nach dem Kraftwerk. Ein dumpfer Schlag, als sich die Schleuse öffnet, das Schiff fährt los. Winken vom Geländer, Winken vom Schiff.
Gleich zwei Kraftwerke liegen auf der Höhe der Ergolz-Mündung: Augst auf der Schweizer Seite, Wyhlen auf der deutschen. «Ehr- und redlich teilen wir uns das Wasser des Rheins», sagt Theo Zeier, technischer Geschäftsleiter des Kraftwerks Augst, gefolgt von einem ker nigen Lachen.

Strom in drei Netze
«Das Stauwehr ist eine gemeinsame Anlage», führt Zeier im Präsentationsraum des Kraftwerks aus. Das Gefälle betrage sechseinhalb Meter, das reiche für das Fliesskraftwerk Augst aus, um mit neun Turbinen jährlich 250 Gigawattstunden Strom zu liefern.
Diese Energie muss laufend verbraucht werden: Denn Strom könne nicht gespeichert werden, ruft Zeier in Erinnerung. Der Strom wird direkt in das Netz der Elektra Baselland, der Elektra Birseck-Münchenstein und – zum gröss ten Teil – der Nordostschweizer Kraftwerke AG gespiesen.

Probleme mit Schwemmgut
Dass das Wasser nicht nur zum Vorteil gereiche, sei eben so eine Sache, meint Zeiher. Geschwemme und Geschiebe machen dem Kraftwerk zu schaffen, vor allem die Ergolz sei eher lästig als nützlich.
Gerade beim Sturm Lothar im Jahr 1999 habe man innerhalb von 24 Stunden 120 Tonnen Schwemmgut aus dem Mündungsrechen der Ergolz gefischt. Das aus dem Baselbiet mitgebrachte Geröll des Flusses bleibe zwar bei der Augster Brücke liegen, müsse aber immer wieder mit einem Bagger entfernt werden.
Dann gibts eine Tonbildschau. 1908 sei das Kraftwerk ge -baut worden, über 1000 Mann arbei teten damals am Riesenprojekt, heisst es. 125 Megawattstunden brachte das Kraftwerk damals hin. Heute wären das gerade noch gut zehn Prozent des Energieverbrauchs der Stadt Basel.

Leistung maximiert
1994 wurde das Werk umgebaut, sechs neue Turbinen sorgen für 60 Prozent mehr Stromproduktion durch minimalste Ablenkung des Wassers zum Antrieb, bis zu 750 Tonnen Wasser pro Sekunde laufen durch jede Turbine. Und das Beste: «Wasserkraft ist umweltfreundlich», sagt eine nette Frauenstimme.
Ob denn Niedrigwasser eine verminderte Stromproduktion zur Folge habe, möchte ein Teilnehmer wissen.
Zeier holt aus: «Wir arbeiten mit einem Gefälle, das auf wenige Zentimeter genau sein sollte.» Bei Niedrigwasser aber sei das Gefälle zu klein, die Leis tung niedrig, was im Hitzesommer 2003 die Strompreise in die Höhe getrieben habe. Hochwasser hingegen sei auch nicht ideal, so Zeier.
«Wenn der Generator quasi als Motor arbeiten muss, um das Wasser abfliessen zu lassen, müssen wir die Turbinen wieder herunterfahren.» Mehr Wasser gibt also nicht automatisch mehr Strom. Physik, halt.
Dann gehts raus. Dorthin, wo das Wasser in die Turbinen fliesst, wo eine Maschine Angeschwemmtes wegputzt. Neben Abfall fische man zuweilen auch eine Leiche aus dem Wasser, sagt Zeier: «Ein- bis zweimal kann das durchaus vorkommen im Jahr.» Das seien sowohl Selbstmörder als auch beim Baden verunfallte Personen.

Museum im Untergrund
Beim Umbau anno 1994 wurde eine Turbine zum Ausstellungsstück umgebaut. Beeindruckend, wie die riesige Metallkonstruktion in ihrer Betonschale gute sechs Meter unter der Wasseroberfläche steht. Eine Wendeltreppe führt noch weiter hinunter, in das Betongewölbe aus dem Anfang des 20. Jahrhunderts. «Wir sind hier zwölf Meter unter Wasser», sagt Zeier. Staunend betrach-ten die Teilnehmenden den Koloss.
Weiter oben erklärt Zeier an einem gezeichneten Querschnitt durch den Generator, die Kupfer spulen und Drähte der riesigen Scheibe.
Dann führt Zeier die Gruppe ins Epizentrum der steten Vibration des Gebäudes: Den Maschinenraum, wo die Generatoren laufen. «Eine Eisenbahnlokomotive verbraucht 6,1 Megawatt Strom, mehr als eine Turbine des Kraftwerks erzeugen kann», führt Zeier die Relationen der Energieproduktion vor Augen.
Zum Abschluss gibts einen Blick in die Steuerzentrale. «Alles vollautomatisch», sagt der Geschäftsleiter und zeigt den Status der Maschinen auf einem Bildschirm.
«Wasserkraft hat Zukunft», sagt Zeier verheissungsvoll zum Abschluss. Und lässt den Stromverbraucher Gutes hoffen: «Sobald wir den Umbau von 1994 fertig abgeschrieben haben, werden wir einen enorm tiefen Strompreis anbieten können.»

(Bild Michael Greilinger)

Volksstimme Nr. 88 / 2005