Augenschein vom 21.07.2009   Alle       

Da braut sich etwas zusammen

Da braut sich etwas zusammen Nur noch Wirtshausschilder mit Bezeichnungen wie «Ziegelhof», «Warteck» oder «Salmen» erinnern an die einstige Brauereivielfalt. Heute dominieren die Grossen. Doch die Talsohle ist durchschritten, wie die florierenden Kleinbrauereien beweisen.

«Unser Bier» steht bei der Lesergemeinde der «Volksstimme» hoch im Kurs. Über zwanzig Personen kamen auf die Bieridee, «Unser Bier», so der Name der grössten Bierbrauerei der beiden Basel, näher unter die Lupe zu nehmen. Als letzte Brauerei im Baselbiet hat sich vor ein paar Jahren Ziegelhof nach Luzern verabschiedet. Gäbe es nicht die Basler Marke «Unser Bier», sässen die Baselbieter biermässig ziemlich auf dem Trockenen. 
Nach der Begrüssung – natürlich mit Bier –  führte Verwaltungsratsmitglied Istvan Akos die Oberbaselbieterinnen und Oberbaselbieter in die hohe Kunst des Brauens ein. Was vor zwölf Jahren mit ersten Versuchen in einer Spaghettipfanne begann, hat sich inzwischen zu einer überschäumenden Erfolgsgeschichte entwickelt. Die Verantwortlichen erkannten, dass im Bier ein grosses Potential steckt. «Unser Bier» zapft dieses Potenzial konsequent an und braut innovativ Biere der verschiedensten Art. 

Auch für Männer geeignet
Beim Bier des Monats, um ein Beispiel zu nennen, das einer der Zapfhahnen im Brauhaus hergibt, handelt es sich um ein leicht süssliches Gebräu mit Zusatz von Holunderblüten. Dieses ist nicht nur für die Damen geeignet. Überhaupt scheint das Weibliche beim Bier eine wesentlich grössere Rolle zu spielen als bisher angenommen. «Beim Hopfen taugen nur die weiblichen Blüten etwas, die männlichen sind bitter und für das Brauen unbrauchbar», erklärte Akos, was das anwesende weibliche Geschlecht schäumend vor Freude aufsog, während die Männer konsterniert in das halbleere Glas blickten. 
Doch es sollte noch schlimmer kommen, wie das nächste Bild der Dia-Schau zeigte: Ein Mann schaute sich an einer Ausstellung ein Heim-Bierbrauset, das in jeder Waschküche Platz hat, genauer an. Und schon giftelte die Angetraute des vermeintlichen Brauers argwöhnisch: «Das chaufsch aber nit au no!». Wie diese Geschichte ausging, wissen wir leider nicht.
Tröstlich: Das Bier setzt seinen Siegeszug trotz aller Widerwärtigkeiten fort. Wieviele Kleinstbrauereien in Küchen, Kellern und Garagen stehen, weiss niemand. «Unser Bier» hingegen hat nichts zu verstecken. Alles wird offen präsentiert: Die technischen Einrichtungen für die Produktion, der Ausstoss und die Geschäftszahlen. Im Zuge der partnerschaftlichen Zusammenarbeit zwischen Stadt und Land können sich die Oberbaselbieter Rampassen durchaus vorstellen, als Investoren bei «Unser Bier» einzusteigen. Die expandierende Brauerei platzt am jetzigen Standort an der Basler Laufenstrasse nämlich aus allen Nähten. Sie ist buchstäblich Opfer des eigenen Erfolges geworden und musste aufgrund der grossen Nachfrage teilweise sogar an fremden Standorten produzieren. 
Mit dem Neubau der Brauerei auf dem Gundeldinger Feld in Basel wird sich das schon ab Februar 2010 grundlegend ändern. Einen Umzug aufs Land in die leerstehenden Ziegelhof-Lokalitäten, wie Heiner Kern, Bürgermeister von Sissach, bei einem Bier meinte, habe man tatsächlich geprüft, aber wieder verworfen, gab Istvan Akos zu verstehen. Ob das Njet aus der Stadt, auf das Land zu zügeln, die Bürgergemeinde Sissach dazu beflügelt, ihre Erträge aus der Goldgrube Strickrain in den Bau einer eigenen Bierbrauerei zu investieren, kann nicht ausgeschlossen werden. Jedenfalls zeigte sich Kern bezüglich Bau und Betrieb eines derartigen Betriebes höchst interessiert. Nach Museum, Kino und Beteiligung an einem Pelletswerk wäre es schon fast logisch, wenn sich die Bürgergemeinde der Bezirksmetropole ein weiteres Standbein in Form einer Bierbrauerei zulegen würde. Na dann Prost!

Neubau erforderlich
og. 110 Aktionärinnen und Aktionäre zeichneten am 17. Juni 1997 ein Aktienkapital von 200?000 Franken  und gründeten die Brauerei Unser Bier AG. Keine zwei Monate später, am 4. August 1997, nahm die Brauerei an der Klybeckstrasse 29 in Basel auf einer kleinen 100-Liter-Anlage ihren Betrieb auf. Heute stösst das Unternehmen, das mittlerweile über 4500 Aktionärinnen und Aktionäre zählt, pro Jahr rund 4350 Hektoliter Bier aus, Tendenz stark steigend. Um die Produktion steigern zu können, investiert «Unser Bier» am neuen Standort auf dem Gundeldinger Feld 4,4 Millionen Franken in den Bau einer wesentlich grösseren Anlage.
* Bisher erschienen: «Bergtour im Hafen und Begegnung mit Willi», «Volksstimme» vom 10. Juli, Seite 7. Wird fortgesetzt.

Otto Graf

Volksstimme Nr. 81 / 2009