Augenschein vom 07.07.2011   Alle       

«Arbeit statt Rente» und ein Zuhause

«Arbeit statt Rente» und ein Zuhause Auf den Jurahöhen zwischen Läufelfi ngen und Diegten liegt das Wohn- und Werkheim Dietisberg, Lebensmittelpunkt und Zuhause für randständige Männer. Beim ersten «Volksstimme»-Augenschein der Saison 2011 erhielten die Leser einen Einblickin dieses ganz spezielle «Dorf».

bas. «Achte darauf, was ein Mensch kann, und nicht, was er nicht kann.» Rund 40 interessierten «Volksstimme»- Augenscheinteilnehmern brachte Geschäftsführer und Heimleiter Res Thomet am vergangenen Dienstagnachmittag die Philosophie des Wohn- und Werkheims Dietisberg näher. «Gib dem Menschen Arbeit statt Rente», plädierte er. Der Dietisberg, idyllisch zwischen Läufelfingen und Diegten gelegen, zählt gut hundert Einwohner. Viele davon seien «Drehtürenmenschen», sagte «Dietisberg-Urgestein» Thomet: Männer, die immer wieder in den Teufelskreis von Psychiatrie, Arbeitslosigkeit, Sucht und anderen Tiefstellen im Lebenslauf gerieten. Das Leben im Wohn- und Werkheim gibt ihnen Halt: Sie wohnen und arbeiten hier. «Es Dehei» sei für alle Menschen ganz wichtig, gab Thomet sich überzeugt, ebenso wie das Gefühl, etwas zu können: «Wir rücken die Stärken jedes Einzelnen in den Vordergrund.»

Das Geld in der Region behalten
Ein Spaziergang durch den bunten Mikrokosmos Dietisberg gestattete Einblick in die 14 verschiedenen Arbeitsrichtungen, mit denen sich die Männer beschäftigen. In der Schreinerei kreischte eine Kreissäge, in einer anderen Werkstatt dudelte ein Radio vor sich hin, und Rauchschwalben zwitscherten aus ihrem Nest.
«Früher wurden wir als Gefährdung für das Kleingewerbe angesehen, erinnerte sich Thomet, «aber jetzt stehen wir in gutem Kontakt zu den lokalen KMU.» «Lokal» ist eines der zentralen Worte für den Dietisberg – «wir wollen das Geld hier in der Region behalten und ausgeben», so der Verwalter.
Im «Stöckli», dem Dietisbergeigenen Altersheim, haben zwölf Bewohner ihr Zuhause: Vom ruhig und idyllisch wirkenden Haus mit Innenhof und Goldfischteich zeigten sich die Besucher sehr angetan.
Im oberen Teil des Weilers lag der Duft nach Sägemehl und Farbe in der Luft, weiter unten war nicht zu überriechen, dass hier Kühe und Schweine leben. «Die Landwirtschaft steht für uns im Mittelpunkt», sagte Thomet, der selber den Beruf des Landwirts erlernte.
Die Lebensmittelverarbeitung des Dietisbergs wächst ständig: Kürzlich konnte sogar die Metzgerei Hirschen in Diegten übernommen werden. Neben verschiedenen tierischen Produkten wird auch der Ertrag aus dem grossen Garten verkauft, in dem Gemüse und Beeren spriessen.

Vielseitiges Warenangebot
Im Angebot des Werk- und Wohnheims findet sich auch die Möglichkeit für Firmenanlässe oder Familienfeste – und Jahr für Jahr strömen die Besucher zu Hunderten oder gar Tausenden zur Bauernolympiade.
Von der Wurst bis zum Körbli, vom bedruckten T-Shirt bis zur Sitzbank werden verschiedenste Produkte einerseits direkt auf dem Dietisberg angeboten, andererseits im Laden «Berg & Tal», der sich in der Sissacher Begegnungszone befindet.
Bevor er die «Volksstimme»-Leser zum Abschlussapéro lud, sagte Thomet: «Wir brauchen Arbeit, und zwar gute und reizvolle Arbeit.» Diese wird den Dietisberg-Männern in nächster Zeit wohl nicht ausgehen.

Volksstimme Nr. 77 / 2011